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Büro der Oberin
in Kloster in der Nähe Veronas 19.09.2012 13:00von Jane Volturi •


RE: Büro der Oberin
in Kloster in der Nähe Veronas 19.09.2012 13:09von Jane Volturi •

Langsam führte ich sie durch die Gänge, entlang der vielen, kleinen Statuen der Heiligen, einfache, in Stein gehauene Statuen, nichts wertvolles, dennoch unser wertvollstes Gut in den Mauern. Scheinbar betrachtete sie was sie sah, so ließ ich sie schweigen, so lang bis sie reden wollen würde. Meine Hände hielt ich vor dem Leib verschränkt, atmte regelmäßig unter den Augen der Heiligen, der Madonne, den Augen Gottes. In meiner Zelle angekommen, welches mir ebenfalls als eine Art Büro diente, deutete ich auf den Stuhl neben meinem Schreibtisch und nahm ebenfalls Paltz.
Nicht ganz hatte ich gesessen, da sprudelte es auch schon aus ihr heraus. Sollte sie zuerst reden, sollte sie sagen was sie bedrückte, ich wollte mir ein Bild machen. Doch was sagte sie, sie habe einen Geliebten? Sie war doch kaum älter als 15 Jahre. Die erste Liebe wohl, anders konnte es nicht sein. Liebeskummer, ich selbst hatte ihn nie erlebt, doch ich erinnerte mich an den Schmerz, den dieser in meiner Jugendfreundin ausgelöst hatte. Es hatte sie beinahe verzert und nichts war in der Lage ihr Heilung zu geben. Für war, es musste die erste Libe sein, die dieses junge Mädchen an den Rand der Verzweiflung trieb. Doch mit einem Mal sah ich sie fragend an. Sie fragte wie wir es aushielten und im ersten Moment, so musste ich mir eingestehen wusste ich nicht was ich hätte erwidern sollen, doch schon sprach sie weiter. Ein nun verständdnisvoller Blick, sie meinte mein Gelübte nur Jesus treu zu sein. Doch kam ich nicht dazu ihr zu antworten, denn es sprudelte weiter aus ihr heraus. Sollte sie reden, es sich von der Seele reden. Reden half meistens schon über den ersten Berg der Probleme hinweg, dessen war ich mir bewusst, es war mir bekannt. Nach weiteren Worten weiteten sich meine Augen. Hatte ich es richtig verstanden? Sie sprach nicht von irgendeinem jungen Mann. Sprach sie gerade von ihren Bruder? Ihr Fleisch? Ihr Blut? Ich rang nach Fassung, wenn es in diesem Gespräch wirklich um ihren Bruder ging, so sprachen wir von Inzest, einer Sünde im eigentlichen Sinne. Durchatmen, einfach nur durchatmen und dabei nicht verwirrt wirken, das war das was für mich wichtig war, bevor ich sprach. "Der junge Mann, von dem Du sprichst scheint dein Herz berührt zu haben, deine Seele." Nur zu gut wusste ich, das es in der Zeit, in der wir lebten nicht mehr so wie früher war, "In welcher Beziehung standet ihr zueinander, dies könnte Aufschluss darüber geben ob er dennoch der Deine bleiben kann. Rache ist etwa, dem man sich nicht winfach verschreiben sollte mein Kind, Rache ist mächtig sicher, doch kann auch sehr viel zerstören, nicht nur das was du zerstören willst." Ich wandt meinen Blick an das Kreuz über meinen Schreibtisch, "Ich kann solche Gelüste nach Rache nicht empfinden, sicherlich ich bin nicht seine einzige Gattin, doch für uns ist dies etwas anderes, als es für zum Beispiel dich ist." ich wante den Blick wieder zu ihr, "Wir verschreiben uns ganz dem Herrn, mit Leib und Seele und nichts darf an diese beiden Dinge, sie gehören einfach nur ihm, unberührt. Es ist anders als in einer Partnerschaft."
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, just in dem Augenblick in dem das Wort `Bruder´ über meine Lippen gekommen war. Ich seufzte. Es war keine Absicht gewesen, keine geplante Provokation, es war einfach geschehen, doch war mir klar welche Diskussion dies jetzt nach sich ziehen würde. Ich hatte sie schon einmal geführt, in einer kleinen Kapelle in der Nähe Roms, mit einem …Priester. Die Erinnerung daran trieb mir ein Lächeln auf meine Lippen. Kalt, so kalt, doch dann verreckte es. Ich lächelte nicht mehr. Mit Augen schwarz wie Kohlen sah ich in die Ihren, welche leicht geweitet waren. „Alec ist meine Seele, mein Herz wird immer ihm gehören, so war es schon immer, schon immer…er ist mein Bruder, mein Zwillingsbruder. Wir sind…eins. Ich liebe ihn über alle Maßen, er ist mein Wichtigstes. Ich bin nur heil mit ihm. Verstehen Sie? Wir sind eins…hätten nie getrennt sein sollen.“ Meine Stimme hatte einen anderen Klang bekommen. Von Verzweiflung und Flehen keine Spur mehr. Vielmehr lag eine unabdingbare tiefe Selbstsicherheit in ihr, als ich diese Worte sprach. „Ach meine Seele möchte trinken aus der Seinen mit allen Sinnen. Ich dürste nach ihm wie die Erde in sengender Hitze nach dem sanften Fall und dem leisen Lied des Regens. Doch ich sitze hier im schwelenden Feuer des Schmerzes. Einsam hier! Es tut so…weh! Er hat mich doch auch geliebt! Ich weiß doch, dass er mich genauso geliebt hat. Wir gehören zusammen. Warum hat er mich dann betrogen? Warum? Und was soll jetzt werden? Wie soll ich das ertragen. Ach ich will Rache, brauche sie. Rache ist Regen in der Wüste…aber wenn er mich dann gar nicht mehr liebt, dann, dann…vergeh ich.“ Die Verzweiflung hatte sich zurück in meine Stimme geschlichen. Mein leid war ohne Zweifel echt. Ach ich wusste nur allzu genau, dass Rache vieles zerstörte, nicht nur das was man vernichten wollte. Und ich wusste auch dass sie das Feuer des Schmerzes nur für den Augenblick zu löschen vermochte…doch unter der Glut schwelte es weiter, immer weiter und ein Windhauch genügte um es neu zu entfachen. Dann bedurfte es neuer Rache um den Schmerz zu lindern…zu lindern für den Augenblick. Oh ja ich wusste es. Seit fast acht Jahrhunderten führte ich einen Rachefeldzug, gegen den Gott der Christen du immer noch…brannte es, brannte…immer noch war es nicht genug. Erst wenn er ganz vernichtet wäre der Christengott hätte mein regloses Herz Ruhe. Doch war dies nicht Thema des Gesprächs…noch nicht.
Ein leises Seufzen entwich mir, es handelte sich nicht um Inzest, es ging um ihren Zwillingsbruder und das die Gefühle von Zwillingen ganz eigen geartet waren wusste ich. So war ich dann doch erleichtert und es warf ein ganz anderes Bild auf dier Geschichte des jungen Mädchens vor mir. Doch welchen Rat konnte ich ihr geben? In jenem Moment war ich dann doch einen Augenblick lang überfordert. Sie war so verzweifelt und auf eine Art konnte ich sie nur zu gut verstehen, nein nachvollziehen. Selbst ihre Gelüste nach Rache waren unter dem Standtpunkt in ein anderes Licht getaucht. Dennoch, Rache war nicht der Richtige weg, auf diesem Weg war gegeben, das sie ihren Bruder gänzlich verlor, einen Teil iherer selbst verlor. "Mein Kind, die Liebe von Zwillingen ist eine ganz besondere, sie ist inniger als die zu anderen, inniger als die zu den Eltern, ja ich wage zu behaupten inniger als es die meine zu dem Allmächtigen selber ist." Ein leichtes, jedoch ebenso ermahnendes wie herzliches Lächeln lehte sich auf meine Lippen, "Jedoch, die stärkste Liebe kann erschüttert werden, so wie du es Momentan empfindest. So ist es auch andersherum, solltest du einen Schritt wagen der deinem Bruder ein Leid zufügt, so könnte er sich gänzlich deiner berdrüssig fühlen." Diese Worte mochten hart klingen, doch es steckte nur zu viel Wahrheit in diesen. "Es gilt für dich, für ihn, für euch, einen Weg zu finden mit dem ihr beide gut euer Dasein auf Erden führen könnt." Mein Blick viel hinauf auf das Kreuz an der Wand, "Sieh, der Sohn des Herrn, er hatte einst geliebt und sich geopfert für die Liebe anderer, welche für ihn in gewisser Weise waren wie dein Bruder für dich, das Wichtigste auf Erden." Den Blick wendete ich wieder zu ihr, "Er starb für seine Geschwister, die weiteren Kinder seines Vaters, uns, um uns zu retten und uns zu führen. Er wollte für uns das beste. Siehe nun deinen Bruder. Du liebst ihn, er ist für dich wichtiger als es alles andere sein kann." In jenem Moment viel mir auf, das sie diese Worte auch falsch hätte deuten können und so schüttelte ich sofort den Kopf, "Jedoch meine ich nun nicht, das du dich opfern sollst für sein Glück, ich meine eher, das du ein Opfer bringen kannst, dich mit deinem jetzt und dem seinen anfreunden, ihm den Raum geben den er braucht um auch dich zu lieben."
Ich hatte gedacht, sie würde vor mir zurückweichen wie vor der Schlange, der Schlange im Paradies. Hatte geglaubt sie werde von Sünde und Inzest sprechen, doch sie überraschte mich, überraschte mich indem sie, wie eigenartig, nichts denn die Wahrheit sagte. Ja die Liebe von Alec und mir war etwas ganz besonders…inniger, dichter wie alles andere. Dicht so dicht. Und ja sie konnte sich darauf verlassen, dass unsere Bindung fester war die ihre zu ihrem Gott. Sie war selbst tiefer wie die Beziehung von mir zu MEINEM Gott. Ach ich liebte Alec noch weit mehr, wie ich Meister Aro liebte. Würde doch Alles für ihn tun…und alles vergeben, ja selbst, dass er mich betrogen…aber ich vermochte nicht so zu tun, als schmerze es mich nicht, als verletze es mich nicht. Und ich konnte es nicht einfach vergessen und weitermachen wie bisher. Er hatte unsere Liebe besudelt…er hatte mir mein Grab geschaufelt…und er…ahhhh, ihre nächsten Worte trafen mich wie ein Pfeil mitten ins Herz. Ja, ja das war was ich befürchtet hatte. Oh weh mir weh, ich wollte Alec doch nicht weh tun, ach ich konnte ihm doch gar nicht weh tun. Doch was sollte nun aus mir werden? Ich musste doch irgendwie weiter existieren…sie sprach davon einen Weg für uns Beide zu finden und voll Verzweiflung schüttelte ich meinen Kopf. „Ach aber wir hatten diesen Weg doch schon, hatten unseren Weg doch endlich gefunden nach ach so langer Zeit. Unsere Liebe zueinander hat uns befreit…wir sind wie…Adam und Eva…er und ich…auch sie waren einst eins, doch Ihr Gott riss sie auseinander, trennte was immer hätte eins sein sollen. Ach so grausam, so grausam…musste er Adam die Rippe herausreißen um ihm eine Gefährtin zu machen? Ach warum, warum? Wusste er nicht wie …WEH das tut, wie weh? Ihr Gott hätte Adam eine eigenständige Frau machen können, aber das hat er nicht gewollt. Er hat sie vom gleichen Fleisch und Blut gemacht…hat sie zerrissen, damit sie sich nach einander sehen, damit sie leiden. So grausam, so…gemein. Und als sie sich dann liebten, als sie vom Apfel der Erkenntnis aßen, da hat er sie aus dem Paradies geworfen. Sünde war es…Sünde, immer Sünde….“ Ich ereiferte mich, meine Stimme wurde drängend…leidenschaftlich…doch ich zwang mich zurück zum eigentlichen Thema zu kommen, zwang mich wieder von Alec und mir zu sprechen, ich hatte doch nur mit dem Beispiel unsere Situation erläutern wollen. „Verstehen sie denn nicht…ich kann nicht…zurück, kann nicht…es reicht mir nicht, wenn Alec mich nur wieder wie eine Schwester liebt…ich kann so nicht …existieren. Es reicht nicht! Ach weh mir weh, er ist doch mein Geliebter gewesen, und soll es wieder sein. Ich kann nicht zurück…und ich kann ihn auch nicht mit einer andern teilen! So wie Ihr Euren Heiland teilt. Ich will seine Liebe für mich allein, will sein Herz zurück haben…ich will ihn wieder in meinem Bett haben, will ihm ja alles, alles vergeben…wenn er mich nur liebt, nur mich, nicht diese Andere. Doch wie kann er nur mich lieben, wenn er mir die Rache verwehrt, wie…was?“ Mein Blick folgte dem Ihren zu dem Kreuz an der Wand. Grundgütiger das war so…makaber! So grausam! Hatte die Frau denn gar kein Herz, gar kein Gefühl? Sie war seine Braut, sie sagte sie liebe ihn, liebe den Kerl am Kreuz und doch…da hing er, dargestellt wie er litt. Das war als würde ich mir ein Gemälde von Alec, brennend auf dem Scheiterhaufen, über mein Bett hängen! Und da dachte man ich wäre grausam. Ha! Und was sie jetzt für einen Müll brabbelte, grundgütiger. „Er war ein Narr.“ Meine Worte waren wie ein Messer, sie schnitten durch den Raum. „Nicht weil er bereit war für Andere zu sterben…nein deswegen nicht. Sondern weil er so töricht war zu glauben seinem…Vater, seinem Gott würde das reichen. Das tut es aber nicht! Euer Gott will alle leiden sehen, jeden einzelnen. Er begnügt sich nicht sein Kind ans Kreuz zu schlagen, oh nein…es ist nicht genug, er gibt keine Ruhe,…nicht bis der letzte Mann, die letzte Frau und das letzte Kind…brannten…brannten und Höllenqualen litten…es ist nie genug. Ihr Gott liebt es die Menschen leiden zu sehen…er sieht ihnen gerne dabei zu.“ Das war vielleicht das Einzige was der Gott der Christen und ich gemeinsam hatten. Auch ich sah gerne dabei zu.
Und sie sprachweiter, sprach davon, dass ich ein Opfer bringen müsse…um Alec sein Glück finden zu lassen…meinte sie mit der Andern? „Nein, nein…NEIN! Ich, ich bin doch sein Glück…er war doch mit mir glücklich…mit mir…ach warum musste ich nur so lange fort sein, warum hat er nicht gewartet…er gehört doch zu mir, zu MIR…an meine Seite, in mein Bett…“Ach Kummer ach Pein, immer schriller wurde meine Stimme, immer lauter und schriller…“Ich kann das nicht…ich brauche ihn, brauche ihn, brauche ihn doch!“ Oh weh, mir weh…vorhin hatte sie mich doch verstanden, oder nicht?
Mir stockte der Atem, sie sprach doch von der fleischlichen Liebe zu ihrem Bruder. Inzest! Nein, eine der größten Sünden. Auch wenn sie ein einem Recht hatte, Gott schuf Eva aus Adam und so waren sie ein Fleisch, doch dies war nicht das selbe. Schlucken, die Empörung herunter schlucken. Ihr helfen, das wollte ich, doch nur zu gut wusste ich, das empörendes Verhalten nicht das Ziel erreichte. Einen Moment brauchte ich, in welchem ich sie nicht ansah, ich wollte ihr nicht die Empörung in mir ins Gesicht werfen, das wäre eine psychologisch unzumutbare Handlung gewesen, doch gänzlich verbergen konnte ich diese Auch nicht und sah deshalb zum Kreuz. °Herr, gib mir die Ruhe und die Vernunft mit diesem Thema vernünftig zu agarien.° Tief atmete ich durch, ihre Worte, ihre Abneigungen gegen meinen Herrn, gegen meinen Heiland, ihre liebe zu iohrem Bruder noch einmal durchgehend, nach den passenden Worten suchend. Mit einem leichten Lächeln auf meinen Lippen drehte ich mich wieder zu ihr, versuchte meine Emotionen außen vor zu lassen. "Mein Kind, meine Schwester, in einem hast du Recht, es scheint so als sei der Herr ungerecht, sei es weil er Adam eine Frau aus dessen Fleische schuf oder das er hat seinen Sohn sterben lassen, doch dem ist nicht so. Du weißt, seine Wege, seine Pläne sind unergründlicher Natur und wir sind nicht in der Lage sein denken zu verstehen, nachzuvollziehen. So wie wir auch unser eigenes Handeln, unsere eigenen Gedanken nicht immer nachvollziehen können. Unsere Gefühle nicht verstehen oder die der anderen. Jedoch müssen wir versuchen uns und unsere nächsten zu ihrem Seelenheil zu bringen und auf den Richtigen Weg. Wenn wir den Richtigen Weg finden bereitet uns der Herr den Weg."
Ah jetzt ja, jetzt hatte sie mich verstanden, jetzt sah sie die Schlange. Mit leicht schief gelegtem Kopf fixierte ich sie, als sie Hilfe und Kraft beim Anblick ihres gefolterten Heilands suchte. Ich wartete den Augenblick, den Augenblick den es dauerte, bis sie sich gefasst hatte, sich gefasst hatte und sich wieder mir zuwandte. Zugegeben sie wirkte verständnisvoll und ruhig, jetzt. Ihr Herz aber verriet sie. War das nicht immer so? Ach sie lächelte, lächelte immer noch. Ich hingegen lächelte nicht mehr, sah sie einfach nur an, nur an…ausdruckslos… und wartete darauf, dass sie sprach. Oh weh mir, weh schon bei ihren ersten Worten musste ich die Kiefer fest aufeinander pressen. Ich war weder ein Kind noch ihre Schwester, verdammt noch mal. Ich hatte keine Schwester, hatte nie ein gehabt. Und ich war…kein…KIND! Und was brabbelte sie jetzt noch? Grundgütiger! Es schien nur so, dass Ihr Gott grausam sei? Es schien nur so? Was beim Blute gab es denn da an …Interpretationsspielraum? Was? Wie konnte man eine rausgerissene Rippe denn noch deuten? Und wie interpretierte man den Tod am Kreuz als…Heil? Das war etwas, was ich sie vielleicht später noch fragen würde…später. Und dieses ständige Geschwafel über Gottes unergründliche Wege, über den Sinn hinter all dem Leid. Ich hätte kotzen können, wäre mein Magen nicht komplett leer gewesen. Das war einfach alles nicht wahr, nicht wahr, nicht wahr. Nur Lügen, Lügen, Lügen! Bis eben hatte ich meine Arme noch fest um meine Knie geschlungen, hatte mich sanft hin und her gewiegt, doch jetzt war es genug. Es war genug! Jetzt schnellte ich nach vorne und legte meine Hände auf ihren Schreibtisch, krümmte meine Finger und kratzte mit meinen Nägeln über das Holz. Tiefe Rillen hinterlassend. Und in meinen Augen begann es zu…schwelen. „Der einzige Weg, den Ihr Gott einem bereitet ist der Weg in die Hölle! Er ist grausam, unendlich grausam, Ihr Gott. Aber darüber wollte ich nicht reden. Der Gott der Christen ist mir Scheißegal. Ich hatte gedacht, dass sie wissen wie es ist, wissen wie es sich anfühlt, wenn der Liebte zu einer andern geht. Ich dachte, sie wüssten einen Rat…wie ich das ertragen kann! Denn ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich will doch Alec zurück haben…ich brauche ihn doch. Aber…ich kann es nicht vergessen…wenn ich ihn ansehe, wenn er mich berührt, dann tauchen ganz viele Fragen in meinem Kopf auf. Ich frag mich wie er SIE angefasst hat, und noch so vieles mehr frag ich mich. Wie sieht sie aus? Hat es ihr gefallen? Hat es ihm gefallen? Hat er sie so geküsst, wie er mich küsst? Hat er sich mit ihr so angehört wie bei mir? Hat sie danach nach ihm...gerochen? Hat sie gerochen nach Schnee, Bratäpfeln und unserem zu Hause? Und dann sind da die Bilder die mich quälen. Oh weh, mir weh! Sein Kopf zwischen ihren Schenkeln….“ Ich schlug mit der flachen Hand auf den ´Tisch. „Das tut so weh…so weh. Ich kann es nicht vergessen, ich kann nicht. Ich dachte wenn ich sie töte, wenn ich sie…ausradiere…dass dann die Bilder verschwinden, die Bilder und die Fragen…aber er will das nicht. Ich weiß, dass er das nicht will…wie kann ich es also dann vergessen? Wie kann ich ihn ansehen und nur ihn sehen, ihn…ihn und mich…mich und ihn…nur uns. Wie kann ich sein Herz zurückbekommen…wie, wie, wie?“ Immer lauter wurde meine Stimme, immer schriller…und immer fordernder kamen die Worte. „Wie, wie, wie denn nur?“ Und erneut kratzten meine Hände über ihren Tisch, abermals Rillen hinterlassend. „So helfen sie mir doch!“ Verzweiflung schlich sich zurück in meine Stimme…ach so tiefe Verzweiflung.
Erschrocken rutschte ich zurück, als sie vor schnellte. Wie konnte sie nur so schnell sein? Adrenalin? Sowas sollte es geben, das Menschen mit einem Mal schneller und stärker wurden, wenn sie innerlich angespannt waren. Schnell war sie und gewisse Kraft besaß sie ebenso, immerhin hinterließ sie tiefe Rillen in meinem Schreibtisch und aufgewühlt war sie sehr. Tief atmete ich durch, die beleidigenden Worte über meinen Herrn mich nicht an den Rand der Beherrschung treiben lassend. Sie war aufgebracht, doch ich durfte mich von diesem, ihrem Gefühl nicht mitreißen lassen, ich durfte einfach nicht. Doch es war schwer. Mein Gott, mein Herr, mein Heiland war gut, auch wenn seine Art dies zu zeigen nicht für jeden verständlich war. Doch musste sie verstehen. Sie musste verstehen das ihre Liebe zu ihrem Bruder falsch war. Sie musste akzeptieren das er dies scheinbar eingesehen hatte. Sie musste akzeptieren das er sie so nicht mehr wollte und sie musste lernen jemand anderem ihre Liebe zu geben. Doch dies ihr begreiflich machen war ein anderes Problem. Es war mein Problem. Mal abgesehen, das ich sie für zu jung hielt um eine derartige Beziehung überhaut zu führen. "Du hast Recht ...", begann ich, "... ich kann dich nicht verstehen, denn meine Gefühle zu Jesus und zu Gott sind von einer ganz anderen Natur als deine." Ich hob meine Hand, streckte sie ihr entgegen, "Doch möchte ich dir helfen auf dem Weg der nun vor dir liegt, dir helfen mit dem allen umzugehen, zu akzeptieren und deiner Seele Heilung verschaffen. Ich möchte mit dir deinen zukünftigen Weg suchen und, so du mich auch lässt, den ersten Teil deines Weges mit dir gehen und dich leiten, so fern es in meiner Macht liegt."
Ich hatte eine klare und präzise Frage gestellt, oder etwas nicht? Ach und alles, alles was ich zur Antwort bekommen hatte war leeres Geschwafel! Leeres Geschwafel! Kein Rat kein Hinweis…nur Andeutungen…Andeutungen…ein Weg, der Weg der vor mir lag, ja welcher denn, welcher verdammt! Ich sah doch keinen Weg, sah keine Möglichkeiten. Das war doch genau das Problem! Ich wollte Antworten, Antworten! Was sollte das denn heißen…`damit umzugehen´….`es zu akzeptieren´? Was akzeptieren? Dass ich es nicht rückgängig machen konnte, dass ich nicht zu ändern vermochte was geschehen? Würde das denn reichen? Würde es dann nicht mehr so…brennen? Nicht mehr so weh tun, weh, so weh? Sie hatte ihre Hand nach mir ausgestreckt und ich starrte sie an, starrte sie an ihre Hand, als wäre sie eine Schlange. Hin und wieder huschte mein Blick zu dem Brieföffner, der auf dem Schreibtisch lag, nur um dann sofort wieder zu ihrer ausgestreckten Hand zurückzukehren. Ich verstand es einfach nicht! Ach weh mir weh, ich verstand es nicht. Verstand nicht was sie meinte. Die Heilung meiner Seele? Das war Alec, Alec allein. Nichts sonst vermochte meiner Seele Heilung zu bringen, nur er, er , er. Er allein! Und…Moment, Moment! Mein…zukünftiger Weg? Zukünftig…also so wie …nicht wie bisher? Meinte sie einen …neuen…Weg…einen Weg ohne…A-lec? Ohne meine Seele? Das wäre die ewige…Verdammnis! –Ja, ja…das meinte sie, das meint sie Hexe! Was hast Du denn gedacht, gedacht? Sie weiß es, weiß es. Weiß, dass Dein Bruder Dich nicht will, Hexe. Er hat sich losgesagt von der Sünde. Sünde, Sünde, Sünde. Sie weiß es. Dir bleibt nur das Grab, das Grab, das Grab…Dein Bruder hat es für Dich geschaufelt, für Dich allein, allein, allein. Mit blut´gen Händen, da wo einst liebliche Gärten waren. Du bist allein Hexe, allein für alle Ewigkeit. Komm, komm, leg Dich rein, rein…rein.- So brüllten und spotteten die Gespenster in meinem Kopf. Zerrten und rissen an meiner Seele und die Nonne half mir nicht, nein sie half mir nicht…nur sinnfreies Geschwafel. Ach weh mir, weh warum war ich nur hier hergekommen, ach warum, warum, warum? Gab es denn keine Antwort auf meine Frage? Gabe es denn kein Heil und keinen Rettung? Die Gespenster, die düsteren Schatten meiner Vergangenheit lachten, lachten mich aus. Nie, nie, nie hätte ich hier her kommen dürfen, was wollte ich nur an diesem grässlichen Ort, der den Gespenstern nur noch mehr Macht über mich verlieh? Was nur was? Immer noch starrte ich ihre beharrlich ausgestreckte Hand an…Schlange, Schlange, Schlange. Ach ja….blitzschnell packte ich sie, ihre Hand. Packte sie, indem ich ihr Handgelenk mit meiner ach so kleinen Hand umschloss, und drückte die Ihre hinunter auf den Tisch. Mit meiner Andern hatte ich den Brieföffner ergriffen, welchen ich jetzt mit voller Wuchte durch ihre Hand jagte. Warmes duftiges Blut begann sich langsam über den Tisch zu ergießen, den Tisch an den ich ihre Hand gerade genagelt hatte. Ach…vielleicht hatte ich mich geirrt, womöglich hatte ich mich doch noch nicht klar genug…ausgedrückt. „Alec…ist…mein …Seelenheil! Ich…brauche …ihn! Ich will nur wissen, will wissen, wie ich…diese Bilder aus meinem Kopf bekomme! WIE! Und ich will…ihn…zurück…haben! Nur er und ich! So MUSS es sein!“ Grundgütiger das war doch jetzt deutlich genug, oder nicht? Das war doch jetzt unmissverständlich, völlig unmissverständlich! Ahhhhh, der Geruch ihres Blutes begann sich im ganzen Raum auszubreiten, er umnebelte meine Sinne…lockte mich…ihr Blut schrie nach mir, schrie, schrie, schrie…doch ließ ich es schreien, das Blut, denn so weit war ich noch nicht. Ich wollte sehen, ob ich jetzt eine Antwort bekäme, jetzt! Und wenn nicht…dann wäre der Moment gekommen, an dem ich ihr Antworten geben würde…Antworten auf ungestellte Fragen…Offenbarungen….ja Offenbarungen. Am Ende würde sie…verstehen. Am Ende.
Ein erschrockener, Schmerz verzehrter Schrei entrann mir. erst hatte sie keine Reaktion gezeigt und dann mir in einer Bewegung, die ich nicht einmal sah meine Hand gegriffen und mir den Brieföfner hindurch gerammt. "Ahhhhhhhhhhh" Der Schmerz vernebelte mir die Sinne. Ich versuchte durch diesen hindurch zu atmen, versuchte ihn zu betäuben. Doch dann erklang auch schon wieder ihre Stimme. Sicherlich hatte ich sie verstanden gehabt, doch es gab für diese Situation nichts, was ich ihr hätte sagen können, nichts was sie hätte hören wollen, daher hatte ich die Worte gewählt die ich ihr entgegen gebrcht hatte. Doch nu, in meinem Schmerz, musste ich ihr sagen, was meine Meinung war. Für einen Moment schloss ich die Augen, betend. °Vater, wache über meine Seele, vergib dieser Seele.° Tief einatmend, immer noch versuchend den Schmerz so zu betäuben sah ich sie wieder an, "Du musst einen Weg ohne ihn finden. Scheinbar hat dein Bruder die Sünde erkannt, sich von ihr losgesagt. Sage dich ebenfalls von ihr los."
„AAAAHHHHHRRRRR, AAAAAAAHHHHHAAAHHHRRRRR!“ Ach ich hatte es gewusst, hatte gewusst, dass sie das gemeint. Schnell wie der Wind und peitschend wie die Weide, schoss ich mit einem Satz auf den Tisch, schoss auf den Tisch und packte sie. „Das ist eine Lüge, Lüge, LÜGE!“ Ich schluchzte, schluchzte vor Kummer und Pein. Sah sie es denn nicht? Sah sie denn mein Leid nicht? „Es ist keine Sünde, keine…Sünde und Alec, Alec…“ Liebt mich hatte ich sagen wollen, aber…ich war mir nicht sicher. Zum ersten Mal seit acht Jahrhunderten war ich mir nicht sicher und so brach ich ab, sagte nichts mehr sondern schrie stattdessen erneut gequält auf. Nichts Menschliches hatte mein Schrei, oh nein nichts Menschliches. Er klang vielmehr nach dem Schrei eines waidwunden Tieres. Ach weh mir, weh ich war so verloren, so verloren. Ich hockte auf dem Schreibtisch, einer Harpyie gleich und hatte die Nonne an den Schultern gepackt. Ihre festgenagelte Hand völlig missachtend schüttelte ich sie, schüttelte sie und presste sie gegen die harte Lehne ihres Stuhls. Dass dabei der Brieföffner ihre Hand weiter aufriss, was kümmerte es mich. Was, ja was? Sengender Schmerz floss durch meine Adern, durch MEINE Adern, wie glühend heiße Lava. Es durfte einfach nicht wahr sein, es durfte nicht. Alec MUSSTE mich lieben. Ich brauchte ihn doch, ach ich brauchte ihn doch. Das musste sie doch verstehen…das…oh…ich würde es sie lehren, das und noch so viel mehr. Ich würde es in ihr Gehirn brennen, bis sie…begriff…bis sie die Wahrheit kannte. Die Wahrheit über Alec und mich, die Wahrheit über ihren elenden Gott, MEINE Wahrheit, ja meine! Sie durfte dabei nur nicht….ahhhh….ja….ich riss den Brieföffner aus dem Holz des Tisches, riss ihn aus ihrer Hand. Behände sprang ich vom Schreibtisch hinunter und zerrte ihre Schubladen auf, wühlte und warf den Inhalt durch die Gegend, bis, ja bis ich endlich in der dritten Schublade fand wonach ich gesucht. Paketklebeband. Großartig, ganz großartig! Es kostete mich kaum eine Minute um sie damit an ihren garstigen Stuhl zu fesseln. Ihr gekreuzigter Heiland sah dabei auf uns herab…schwach und hilflos…sah er zu. Gerade in dem Moment in dem ich ihr den Mund zukleben wollte, öffnete sich die Tür und eine junge Nonne kam herein. `Verzeiht die Störung, aber ich hörte Schr…ohhhh…´ weiter kam sie nicht, denn ihr Hirn hatte gerade die Szenerie die sich ihr bot erfasst. Und sie würde auch nichts mehr sagen, würde nichts mehr hören. Schnell, so schnell war ich bei ihr. Zu schnell für ihre Augen. Ich griff nach ihr mit der einen Hand und schnitt ihr mit der andern, die immer noch den Brieföffner hielt, die Kehle durch. Heißes duftiges Blut quoll in Strömen aus der Wunde, ein letztes ersticktes Röcheln, dann hing sie schlaff in meinen Armen. Der Geruch ihres Blutes, welches mein Kleid und den Boden rot färbte, rot so rot machte mich schier rasend. Meine Kehle brannte, brannte…aber noch viel mehr brannte meine Seelenqual. Ach so viel mehr. „Sehen sie was sie angerichtet haben? Sehen sie das?“ Meine Stimme überschlug sich fast. „Das ist allein ihre Schuld, ihre Schuld…die Schuld ihrer Lügen und ihres Geschreis!“ Ich ließ die tote Nonne achtlos zu Boden fallen. Sie fiel, fiel in ihr eigenes Blut. Langsam auch so langsam schritt ich auf die Oberin zu, blieb vor ihr stehen, und sah sie mit leicht schief gelegtem Kopf an. Den Brieföffner immer noch in den Händen haltend. „Ich will wissen wie ich… es ertragen kann…will wissen wie ich die Bilder aus meinem Kopf verbannen kann…ich will Alec zurückhaben…ich brauche ihn…er ist meine Seele.“ Ja meine Seele, meine Seele…sie immer noch fixierend, hob ich nun den Brieföffner…Blut tropfte von seiner Spitze…tropf, tropf…tropf, tropf….lächelnd leckte ich es ab, das Blut…ahhhhh köstlich, köstlich…und als er sauber ja …rein war…da schnitt ich einen letzten Streifen Klebeband ab und…klebte ihn über den Mund der Nonne. „Ihr werdet darüber nachdenken, während ich dafür sorge, dass es keine weiteren Störungen geben wird.“ Sachte, fast schon liebevoll legte ich den Brieföffner auf den Schreibtisch und dann, dann ließ ich sie allein, ließ sie allein mit der Toten, allein mit ihrer Schuld und ihrem Schmerz. Ich ließ sie allein mit meinen Fragen. Allein mit ihrem Gott…ach mutterseelenallein ließ ich sie zurück, als ihre Tür hinter mir ins Schloss fiel.
"Das mag ein wenig weh tun."

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